Ein Pferd, eine Frau oder doch nur Trödel?


Am ersten Septemberwochenende wurde es wieder Zeit für das größte Volksfest Sachen-Anhalts. Seit 1750 findet jedes Jahr der Havelberger Pferdemarkt statt. Dabei trägt das Fest die verschiedensten Namen: Havelberger Markt, Havelberger Hochzeitsmarkt, Trödelmarkt Havelberg, Großer Markt Havelberg und eben Havelberger Pferdemarkt.

Wer Pferde ohne Fehler sucht und Mädchen ohne Mängel, hat nie ein gutes Pferd im Stall und nie im Bett ein  Engel.
Da ich nicht so ein Pferdeliebhaber bin, macht mich der Name Hochzeitsmarkt viel neugieriger. Aber tatsächlich, werden jedes Jahr fast 1000 Pferde via Handschlag verkauft. Früher fand der Markt in den engen Gassen des Städtchens statt. Man musste aufpassen, dass man nicht in einen der vielen vielen Pferdehaufen trat.  Aber schon damals gab es nicht nur Tiere im Angebot, von jeher ist der Markt dafür berühmt, dass man dort alles findet und bekommt, was man sonst nur schwer erlangt.



Mit der Zeit wurde der Markt zu groß für die Innenstadt und so zog er vor die Stadttore Havelbergs ins Mühlenholz. Ein etwa 60 Hektar großes Gelände das der Hochwasserregulierung zwischen Elbe und Havel dient.


Aber zurück zum Hochzeitsmarkt. Jährlich hört man in der ersten Septemberwoche die Frage: "Na, gehst du auch zum Havelberger Markt? Vielleicht findest du dort deinen Bräutigam!"


Denn damals, nahmen die Bauern nicht nur ihre Pferde, Kühe und Schweine mit zum Markt, sondern auch ihre unverheirateten Töchter, für die es allerhöchste Eisenbahn wurde, unter die Haube zu kommen. Mit samt der Aussteuer wurden sie auf die Kutsche gesetzt und ab ging es nach Havelberg.



Neben dem Pferdehandel wuchs das Interesse für den Trödel- oder Flohmarkt. Besonders zu DDR-Zeiten gab es hier Dinge, die es sonst nur schwer zubekommen gab. Noch heute ist der Trödelmarkt, der Geheimtipp für all diejenigen, die Zuhause in der Garage an einer alten Schwalbe, einer Simson oder einem Trabi schrauben.


Aber auch wer seine vier Wände gerne wie zu Zeiten Erich Honeckers oder Kaiser Wilhelm I. einrichten möchte, bekommt alles was sein Herz begehrt.


Zum Markt gehört ein ebenso großer Vergnügungsteil. Einen Rummelplatz eben. Damals bestand er aus Kettenkarussell, Riesenrad und Schießbuden. Heute findet man neben ihnen auch noch Achterbahn, 3D-Kino und Autoscooter. Damals wie heute gibt es viele Bier- und Essensstände an denen man sich stärken kann und die Laune auf Schwung bringen kann.
Der Große Markt wäre kein Markt, wenn nicht auch Marktschreier wie Nudel Olli und Käse Rudi anwesenden wären. Es nicht die gefühlte hundert Händler gäbe, die Mikrofaserbettwäsche, Messer-Sets und Flachheizkörperbürsten anbieten würden, quasi wie ein Lagerverkauf des "Modernen Hausfrau"-Katalogs. Und endlich bekommt man eine Ahnung davon, wer diese Dinge braucht und tatsächlich kauft. Ich werde es nie wirklich verstehen, wozu man ein 12-teilige Messerset kauft, wenn man letzten Endes nur 3 davon wirklich nutzt. Aber vielleicht habe ich ja keine Ahnung und komme irgendwann zu der Erkenntnis, dass man wirklich alle 12 Messer benötigt.


Als Schulkind habe ich den Havelberger Markt nie wirklich gemocht, denn wer Anfang September Geburtstag hat, der feiert den Kindergeburtstag höchstwahrscheinlich am ersten Septemberwochenende. Ich konnte mir oft anhören, dass die ein oder andere, lieber mit ihren Eltern zum Pferdemarkt fahren wollte. Verständlich, aus heutiger Sicht. Denn nie ist ein Mädchen näher dran, ein eigenes Pferd zu bekommen, als auf dem Markt, wo man zur Not so lange weint, schreit oder bettelte bis es im seltensten Fall ein Pferd oder dann doch eher ein Donnerwetter gibt.
Als ich es Ende August, vor einigen Jahren, wagte für mein Auslandssemester das  Land zu verlassen, fragte mich der Herr bei der Sicherheitskontrolle am Berliner Flughafen, ob ich denn dieses Jahr gar nicht zum Havelberger Markt wolle. Er habe ja dort immer kräftig mit seinen Kumpels gefeiert und die hübschen Mädels umworben. Merkte ich erst, was für ein Event der Markt sein muss, wenn sogar Berliner Sicherheitsbeamte davon wüssten.

Tatsächlich kommen an dem Wochenende etwa 200.000 Besucher nach Havelberg, nicht alle wollen ein Pferd kaufen oder eine Frau finden, die meisten wollen wie alle, einfach nur dabei gewesen sein.

Woher der Sicherheitsbeamte das mit dem Havelberger Markt wusste? Es lag wohl an meiner Geburtsstadt, die er auf meinem Ausweiß las.

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